Montag, 2. Mai 2022
Chess24 stellt deutschen Dienst ein
Besucher von chess24.com wunderten sich, warum die Seiten der Online-Schach-Plattform (Screenshot) nicht mehr auf deutsch aktualisiert werden, es keine aktuellen Folgen der Streaming-Formate "Geschwätzblitz" "Lubbes Lehrstunde" oder "Bauernfrühstück" gibt. Bei denen spielte u.a. WGM Josefine Heinemann gegen Kundschaft und das Ehepaar Melanie (WGM) und Niklas Lubbe (IM) gab Schach-Lektionen. Nach und nach sickerte vergangenen Monat durch: Es ist alles aus! "Seit Ende März ist der deutsche Dienst bei chess24 eingestellt. Es fehlen die finanziellen Mittel", kommentierte Star-Moderator GM Jan Gustafsson die aktuelle Lage. "Mehr Informationen habe ich im Moment nicht. Die Schachwelt lebt in verrückten Zeiten", fügte er hinzu. Gustafsson hatte chess24.com 2014 mitbegründet, verkaufte das Portal fünf Jahre später an die "Play Magnus"-Gruppe. Hinter der steckt Weltmeister Magnus Carlsen (aus Norwegen). Ende 2020 beschäftigte die "chess24 Gmbh" mit Sitz in Hamburg laut eigener Bilanz im Bundesanzeiger 12 Mitarbeiter, machte einen Jahresüberschuss von gut 18 600 Euro. Dass viel mehr Geld im durch die Pandemie boomenden Online-Schach im Spiel sein kann, zeigt der Preisfond beim von Carlsens Leuten organisierten “Norway Chess” (ab 31. Mai). Bei dem geht es für zehn Spieler um knapp 250 000 Euro. Der Sieger erhält 70 000 Euro. Mitte Juni beginnt dann das WM-Kandidatenturnier in Madrid, bei dem 500 000 Euro ausgeschüttet werden. Marktführer Chess.com (aus den USA) tritt dort als Sponsor auf, ist natürlich wie chess.24.com aus auf Profite. Beide Internetseiten finanzieren sich mit Werbung und durch Mitgliedschaft, bieten auch zahlreiche Gratis-Angebote. Spielen ist kostenlos. Zuschauen bei Weltklasse-Turnieren ebenso. Die werden inzwischen in TV-Qualität übertragen, bei Chess.com teilweise kommentiert wie Football-Matches. Rüde hingegen geht es hinter den Kulissen zu. Konkurrent “ChessBomb.com” aus Bulgarien wurde von den Amerikanern aufgekauft und kurzerhand als Plattform aus dem Internet gelöscht. Beliebte deutsche Streamer wie "Kugelbuch" oder Georgios Souleidis ("TheBigGreek") nahm Chess.com unter Vertag, damit sie auf ihrer Plattform spielen. Satte eine Million Dollar Preisgeld haut Chess.com in diesem Jahr für ihre "Global Chess Championchip" raus, an der jeder gegen eine Verifizierungsgebühr von zehn Dollar teilnehmen kann. Wer im Duell dennoch an Carlsen glaubt, für den lohnt sich ein Blick auf die Börse. Die “Play Magnus”-Aktie verlor in den vergangenen zwölf Monaten jedoch reichlich an Wert. Fiel von 2,49 Euro pro Stück auf glatte 1 Euro (Stand heute). Wer Schach und Geld im Internet nicht in Verbindung bringen will, für den gibt es übrigens eine komplett kostenfreie Alternative mit Lichess.org. Diese Plattform finanziert sich durch Spenden. Auf die Kommentierungen von Jan Gustafsson wird ebenfalls niemand verzichten müssen. Bei chess24.com ist er weiter in Englisch tätig. Deutsch spricht er auf seinem eigenen Twitch-Kanal "JanistanTV", wo er um Euros für die "Staatskasse" bittet.