Freitag, 17. März 2023

Schach-Stars hauen aus Russland ab

Viel los in der Schachwelt - und zumeist haben damit die Russen zu tun. Großmeister Alexei Sarana (23) etwa, der gerade die Europameisterschaft vor 480 Spielern in Serbien gewann. Gejubelt darüber wurde im Kreml wohl kaum. Denn Sarana war neben weiteren Russen im März vergangenen Jahres nicht in seine Heimat zurückgekehrt. Stattdessen mietete er eine Wohnung in Belgrad. “Ich liebe Russland, aber ich hasse die Politik”, sagt der Schachprofi über den Angriffskrieg seines Landes gegen die Ukraine und trat aus dem russischen Verband aus. Inzwischen ist die Liste der abgewanderten Denksportler lang und ziemlich prominent. Großmeister Dimitri Andreikin (33, 20. der Weltrangliste) zog es nach Nordmazedonien, Ex-Weltmeisterin Alexandra Kosteniuk (38) tritt jetzt unter Schweizer Flagge an, Daniil Dubov (26, 32) agiert aus Kasachstan.
Die freche Top-Schach-Streamerin Dina Belenkaya (29, Foto: Gibraltar Chess Festival) wechselte nach Israel. Statt aus St. Petersburg geht sie nun in ihrer Wahlheimat Paris online. Oder aus den USA. In Charlotte (North Carolina) spielt die gefragte Kommentatorin gerade eine Turnierserie, war vor wenigen Monaten in Los Angeles (Kaliforrnien) siegreich als Schach-Boxerin im Ring. Über Kasachstan war übrigens auch der weniger bekannte Großmeister Alexandr Rakhmanov (33) nach Georgien geflohen, fing quasi ganz neu an. Seine florierende Schachschule in Cherepovets (etwa 400 Kilometer nördlich von Moskau, 315 000 Einwohner) hatte er aufgeben. Offenbar aus Angst vor der Armee-Einberufung, die in Russland bis zum Alter von 45 Jahren möglich ist. Inzwischen lebt Rakhmanov mit Frau und Kind in Astana (Kasachstan). Jan Nepomniachtchi (32, “Nepo”) weilt dagegen weiter in Moskau, bereitet sich auf den WM-Kampf gegen Liren Ding (30) vor. Das Match beginnt ab 7. April ebenfalls in Kasachstan (Almaty). Zudem baut sich “Nepo” gerade ein zweites berufliches Standbein auf. Als Gastronom. Er kaufte sich den legendären World Chess Club. Deren Ex-Besitzer sind ebenfalls aus Russland abgehauen. Unter anderem nach Tiflis (Georgien), London und Berlin, wo sie Unter den Linden (Mitte) ihren Club nach Moskauer Vorbild wiedereröffnen wollen.