Samstag, 28. Oktober 2023

Carlsen: Sieht gut aus, den lasse ich so stehen

Hat bestimmt jeder Schachspieler schon erlebt - und es passiert sogar Magnus Carlsen, dem besten Spieler aller Zeiten. Wegen der zahllosen Möglichkeiten wissen wir oft nicht, mit welcher Eröffnung wir starten sollen, haben die Qual der Wahl. Carlsen, der frühere Weltmeister, im Interview nach seiner Auftaktpartie gegen den international wenig bekannten IM Srihari (Indien) beim Open in Katar: “Ich hatte mich auf meinen Gegner nicht vorbereitet und keine Ahnung, welchen ersten Zug ich mit Weiß machen soll.” Erheblichen Anteil an Carlsens Entscheidungsfindung hatte dann Mohamed Al Mudahka, Präsident des katarischen Schachverbands und ebenfalls Großmeister (GM). Wie bei größeren Turnieren üblich, begann auch das Katar Open mit einer Show. Unter Blitzlichtgewitter schob Al Mudahka Carlsens Bauern zwei Schritte vor auf das Feld c4 (Foto, Quelle: Homepage des Veranstalters). GM Jon Ludvig Hammer (Norwegen) hadert mit der Praxis, dass fast alle Spieler nach dem Promi-Fototermin, die Figur auf ihr Ursprungsfeld zurückziehen: “Das sollte abgesprochen werden. Sponsoren und Funktionäre geben sich alle Mühe und viel Geld, um solche Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Für mich als Organisator wäre es ein Schlag ins Gesicht, wenn mir das geschehen sollte. Mein Auftaktzug sollte auch der des Turniers sein.” Sah Carlsen ebenso: “1.c4 sieht gut aus. Den lasse ich so stehen.” Bei GM Anish Giri an Tisch drei wäre das nicht möglich gewesen. Dort hatte der ahnungslose Promi was falsch verstanden. Er spielte irregulär 1.Ke3! Carlsen jedenfalls erwischte einen prima Tag, siegte in nur 23 Zügen. Später lief es für ihn nicht so gut. Am Ende erzielte er sechs Punkte aus neun Partien - nur Platz 16.Turniersieger ist Nodirbek Yakubboev (sieben Punkte, aus Usbekistan), der seinen punktgleichen Landsmann Nodirbek Abdusattorov im Tierbreak schalagen konnte. Der Preisfond des Turniers lag bei 110000 Dollar. Dieser Text erschien in großen Teilen zuerst im "Maulbär", dem monatlichen Kulturkalender für Berlins Südosten.

Freitag, 6. Oktober 2023

Wo ein Pferd gar nichts wert ist

Es waren die ersten Tipps meines Schulschach-Trainers, daran erinnere ich mich genau. Schon damals sagte der Coach: “Springer am Rand - bringt Kummer und Schand. Stelle deine Figuren auf Felder, die das Zentrum beherrschen!” Königsbauer zwei Schritte vor 1.e4) oder ebenso Damenbauer vor (1.d4) sind bis heute die gängigen Eröffnungszüge. Bei der “Speed Chess Championship” (150000 Dollar Preisfond) auf der Online-Plattform “chess.com” schlug Schach-Streamer und Weltklasse-Großmeister Hikaru Nakamura (USA, Dritter der Weltrangliste) mehrfach all diese Regeln in den Wind. Gegen Fabiano Caruana (USA, Weltranglisten-Zweiter) landeten zum Beispiel 1.a3, 1.h3 und 1.Sh3 auf dem Brett. Nakamura umging damit die Varianten seines Gegners. Caruana gilt als der am besten vorbereitete Spieler der Welt. Nakamura triumphierte im Match am Ende mit 18,5 zu 8,5 Punkten.Er riskierte schlechtere Stellungen, verteidigte die mit blitzschnellen Zügen, lud somit zu Fehlern ein. Den Vorwurf der Arroganz gegenüber seinem Gegner wollte Nakamura auf X (ehemals Twitter) nicht gelten lassen. Er schrieb: “Ich mache nur das, was der Ex-Weltmeister auch macht." Gemeint ist Magnus Carlsen (Norwegen) Der schockte schon mit 1.g4. Früherer Carlsen-Sekundant und heutige Bundestrainer, Jan Gustafsson, kommentierte trocken: “Hoffentlich musste der Quatsch nicht von Carlsens Trainer-Team ausanalysiert werden…” Hobbyspieler sollten übrigens nicht mit solchen Zügen experimentieren. Für sie gilt weiter: Am Rand steht ein Pferd, das ist gar nichts wert.