Freitag, 1. April 2022

GM-Kollege bewundernd: "Alles was Hikaru macht, funktioniert."

Das war clever kalkuliert und Hikaru Nakamuras Plan ist aufgegangen. Der Schachgroßmeister steht im Finale des Grand-Prix-Turniers in Berlin. Am Wochenende trifft er auf Wesley So, seinem Landsmann aus den USA. Ab Mittwoch hatte es Nakamura mit Shakhriyar Mamedyarov aus Aserbaidschan zu tun. WGM Keti Tsatsalashvili und GM Daniel Naroditsky trauten ihren Augen kaum, als sie die ersten Züge des Duells im klsassischen Schach auf der Online-Plattform chess.com kommentieren sollten. Nakamura hatte die weißen Steine, schien daraus aber keinen Vorteil erzielen zu wollen. Auf dem Brett stand eine symetrische Position im "Russen" (1.e4 e5 2. Sf3 Sf6), in der bereits im siebten Zug die Damen getauscht worden waren. Naroditsky unterbrach die Übertragung für mehrere Minuten, sagte: "Wir müssen jetzt erstmal prüfen, ob das die richtige Stellung ist." War sie! Schon am Vortag hatte Nakamura für Verwunderung gesorgt. Statt sich vorzubereiten oder einen Bummel durch Berlin zu machen, kommentierte er lieber auf seinem Kanal bei twitch.tv Partien, spielte abends sogar noch ein Blitzturnier. Naroditzky schüttelte den Kopf: "Während eines Turniers habe ich noch nie geblitzt und das hier ist der Grand Prix ..." Co-Kommentatorin Tsatsalashvili lieferte schließlich die Erklärung für Nakamuras Eröffungswahl und dessen listige Taktik: "Im klassischen Schach mit langer Bedenkzeit ist die Bilanz zwischen beiden Spielern etwa ausgeglichen." Im Schnell-Schach, aber vor allem beim Blitzen agieren Nakamura und Mamedyarov nicht auf Augenhöhe. Dort wird der US-Boy zum Riesen, schlug den Aseri in 20 Partien bei nur vier Niederlagen. So endeten die beiden klassischen Partien remis. Nakamura war kein Risiko gegangen. Danach ahnte Mamedyarov bereits: "In Rapid or Blitz Hikaru will crush me." So kam es. In der ersten Schnellpartie stand Mamedyarov besser, verlor jedoch in Zeitnot völlig die Kontrolle. In der zweiten Partie opferte er und unterlag, weil er auf Dauer keine nachhaltige Kompensation für das reigebutterte Material nachweisen konnte. Naroditzky bewundernd: "Alles was Hikaru macht, funktioniert." Fürs Kandidatenturnier (im Juni in Madrid), bei dem der Herausforderer von Magnus Carlsen um den WM-Titel ermittelt wird, ist Nakamura durch den Erfolg in Berlin qualifiziert. Ob er nach Spanien reist, ist noch offen. Nakamuras Haupteinnahmequelle ist das Streamen. Damit das reibungslos klappt, beschäftigt er zehn Mitarbeiter. Sollte er auch Wesley So schlagen, hätte sich der Berlin-Trip in jedem Fall gelohnt. Das Preisgeld für den ersten Platz beträgt stattliche 24 000 Euro.
Nicht viel los: Das ist die Stellung aus Nakamura gegen Mamedyarov aus der ersten Partie.