Donnerstag, 24. März 2022
Hikaru Nakamura: Schach, nackte Tatsachen und wenig Schlaf
Die Fans von Schach-Großmeister Hikaru Nakamura (34) sind seit Mittwoch beim
Streaming-Dienst twitch.tv vergeblich auf der Suche nach ihrem Superstar. Der
US-Boy spielt derzeit beim Grand-Prix-Turnier in Berlin. Hat noch die Chance,
nächster Herausforderer von Magnus Carlsen (31) um den WM-Titel im klassischen
Schach zu werden. Dienstag war Nakamuras Partie auf dessen Kanal noch live
übertragen worden. WIM Fiona Steil-Antoni (33) und GM Benjamin Bok (26)
kommentierten die Züge, wurden extra dafür engagiert. Doch dann schauten
die Zuschauer in die Röhre. Nakamura wurde von twitch.tv für drei Tage vom Portal
suspendiert, sickerte schnell via Chat und Nachrichten-Portalen durch.
Hintergrund ist ein lange andauernder Rechtstreit zwischen Anwälten des Dienstes
mit einem weiteren Streamer, der bereits mehrfach von twitch.tv verbannt war.
Der Streamer hatte live sein nacktes Hinterteil gezeigt. Twitch.tv gehört zum
Amazon-Imperium von Jeff Bezos (58). Seinen Leuten missfiel, dass
Nakamura vom Nackte-Tatsachen-Streamer Online-Schach gestreamt hatte.
Gespielt bei Konkurrent youtube.com, das wiederum von Google betrieben
wird. Der temporäre Ausschluss ist ärgerlich für Nakamura, der mit einer
Elo-Zahl von 2750 auf Platz 15 der Weltrangliste steht. Nach dem Nerflix-Kracher
"Das Damengambit" und der anhaltenden Pandemie bommt das Online-Schach. Längst
haben sich dort Spieler neben ihren Schachprofi-Karrieren ein zweites - sehr
viel lukratives - Standbein aufgebaut. Nakmura (fünfacher US-Champion) ist
aktuell der erfolgreichste Schach-Streamer der Welt, analysiert werbefinanziert
Partien, gibt Tipps, zeigt Tricks oder blitzt mit zahlender Kundschaft. In den
USA ist er längst so bekannt wie Popstars. 1,5 Millionen Fans folgen ihm auf
twitch.tv. Youtobe.com zählt 1,24 Millionen Abonennten. Bisher lag Nakamura im
WM-Zyklus gut im Rennen. Das erste der drei Grand-Prix-Turniere hatte er
gewinnen können. Nach der twitch.tv-Suspendierung verlor Nakamura gegen den
Armenier Levon Aronian (39), der ebenfalls unter US-Flagge spielt. Danach gab's
mit den weißen Steinen ein mühsam erkämpftes Remis gegen den Russen Andrei
Esipenko (20). In der dritten Partie stand er gegen den in München geborenen Russen Grigriy Oparin (24) nach 20 Zügen völlig pleite, nutzte jedoch noch seine Schummel-Chancen. Die Partie endete im 33. Zug remis. "Ich habe nur zwei Stunden geschlafen", meldete sich Nakamura zwischenzeitlich aus
seinem Hotel-Zimmer. Inzwischen läuft es beeser. Freitag schlug Nakamura Aronian und ist bei twitch.tv wieder online.
Nachdenklicher Hikaru Nakamura am Schachbrett. Foto via Google: Andreas Kontokanis (Piräus, Griechenland).