Die Geschichte, die so blutig durch Schüsse an der Mauer endet, beginnt in Berlin-Köpenick. Bestseller-Autor John le Carré hat sie aufgeschrieben. Es ist sein neuer Spionage-Krimi. Der spielt teilweise in der Gegenwart. Und im geteilten Berlin Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. In "Vermächtnis der Spione" (Ullstein, 24 Euro) schickt le Carré den britischen Nachwuchs-Agenten de Jong samt seiner Familie an den Müggelsee. Es ist der Neujahrstag. Den blauen Volvo mit britischen Militärkennzeichen stellt de Jong nahe der geschlossenen Brauerei ab, geht mit seiner Frau, dem Hund und den drei Kindern zu einer Landzunge, um dort in warmer Kleidung ein Picknick einzunehmen und im Wald Verstecken zu spielen. Als die Familie nachmittags zum Auto zurückkehrt, ist die Fahrertür aufgebrochen. Nichts geklaut! Stattdessen findet de Jong im Handschuhfach einen Kleinstbildfilm mit hochbrisantem Material.
Darunter:
1. Protokoll der KGB-Konferenz der Geheimdienste des Ostblocks in Prag (1957).
2. Identität der aktuell führenden Stasi-Agenten in Südafrika.
3. Namen, Rang und Dienstnamen aller Stasi-Offiziere, die sich in der UdSSR einem KGB-Training unterziehen.
4. Standorte von sechs geheimen Fernmeldeeinheiten der Sowjets in der DDR und Polen.
Was für ein großer Verrat! Hinter dem Einbruch in de Jongs Volvo steckt der Köpenicker Arzt Dr. Riemeck (Deckname: Mayflower), der von einer Stasi-Sekretärin (Deckname: Tulip) mit den Geheimdokumenten versorgt wird. Beide sind von der DDR-Führung enttäuscht. Im Laufe der Story werden sie, ihr Führungsoffizier, und dessen völlig unschuldige Geliebte von Stasi-Leuten ermordet. Nach Mauerfall und Öffnung der Stasi-Akten fordern im hier und jetzt die Söhne und Töchter der Toten einen Untersuchungsausschuss. Den will der britische Geheimdienst unter allen Umständen vermeiden.
Es dürfte das letzte Buch von John le Carré sein, bei dem Top-Agent George Smiley, der inzwischen pensioniert im deutschen Freiburg lebt, noch einmal auf die Bühne der Weltliteratur zurückkehrt. Sie alle werden im Roman wieder lebendig. Bill Haydon, Tobi Esterhase, Control, die gesamte Mischpoke. Auch das Schicksal von Karla, dem KGB-Chef, den Smiley erpresst hatte, in den Westen überzulaufen, wird aufgeklärt.
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