Freitag, 4. Oktober 2024
Blitz-WM wird für Spieler zum Luxusproblem
Reisen sind teurer geworden, Zimmer in Hotels sowieso. Gilt besonders für das Herz von New York, wo sich die Preise inzwischen den zahlreichen Wolkenkratzern annähern und von Weihnachten bis Silvester noch höher in den Himmel steigen. Deshalb sorgt die Entscheidung des Weltschachverbandes Fide für Kopfschütteln, die Weltmeisterschaften im Schnell- und Blitz-Schach genau zu diesem Zeitpunkt an der Wall Street in Manhattan zu veranstalten. Das Problem dabei ist, dass die allermeisten der etwa 200 Spieler Flug und Unterkunft aus den eigenen Taschen zahlen müssen. Zwischendurch gibt’s auch noch einen Ruhetag, an dem sich Finanzwelt und Schachelite näher kommen sollen. Großmeister (GM) Johan-Sebastian Christiansen (67. der Weltrangliste, 2661 Elo) empört sich: “Dieser Ruhetag ist lächerlich und teuer für uns.”
350 000 Dollar liegen in den Preistöpfen. Allein um seine Hotelkosten zu deckeln, muss eine Platzierung in beiden Turnieren zwischen Rang 26 und 35 her, stellte Schach-Journalist Tarjei J. Svenson klar. Mit einem Aufwand von 4000 Dollar für die WM-Teilnahme rechnet GM Benjamin Bok (189. der Weltrangliste, Elo 2596) und steht vor einem Luxusproblem. Knapp 1800 Dollar kamen bisher bei seinem Spendenaufruf zusammen. GM Alexandr Rakhmanov (ebenfalls Elo 2596) reist aus Kasachstan an: “Zum Glück habe ich mir das Geld zusammengespart. Aus Gewinnen in Online-Turnieren.” Rakhmanov erhofft sich mit der WM-Teilnahme neben einem guten Ergebnis zudem Eigen-PR und Werbung für seine Schach-Videokurse. Für GM Niclas Huschenbeth (Elo 2600) aus Prenzlauer Berg dagegen steht bereits fest: “Ich spiele da nicht!” Verdenken kann ihm das sicher keiner … (Dieser Text ist zuerst im Berliner Kulturkalender "Maulbär" erschienen.)
Samstag, 23. März 2024
Was der WM-Titel mit Fabiano Caruana und St. Louis zu tun hat
Drei Inder, zwei US-Amerikaner und jeweils ein Russe, ein Aseri und ein in Frankreich lebender Iraner. Ab 4. April sind die Herren am Zug beim WM-Kandidatenturnier in Toronto (Kanada). Wer’s gewinnt, wird Herausforderer von Ding Liren (31), dem Schach-Champion aus China. Für Großmeister (GM) Benjamin Bok (29) ist der Ami Fabiano Caruana (31, Foto, Credtit: Barnos) Mitfavorit: “Er hat Erfahrung, selbst schon ein WM-Match gespielt und ist im richtigen Alter. Außerdem wirkt sein Spiel enorm verbessert.” Weltranglisten-Zweiter Caruana lebt wie Bok und etliche weitere GM in Saint Louis (USA, US-Staat Missouri). Die dortige Schachszene wird kräftig unterstützt von Rex Sinquefield (79), einem erzkonservativen Dollar-Milliardär. Den würde es sicher freuen, einen Schachweltmeister in der Nachbarschaft zu haben. Deshalb dürfte Caruana alle möglichen Ressourcen (Trainer, Sekundanten) für den Erfolg zur Verfügung stehen. Es sind Kleinigkeiten, die es gilt, zu verbessern. Die ersten 16 Züge im Durchschnitt spielt Caruana schnell und ohne großes Nachdenken, weil sie vor den Partien vorbereitet sind. Caruana kennt sich also aus. Ein Spitzenwert ist das aber nicht, rechneten Experten in in St. Louis aus. Sicher ist, dass ihn Grigori Oparin (26) und Christian Chirila (33) sekundieren. Lewon Aronjan (40) sagt: “Fabiano und ich arbeiten viel zusammen.” Wahlheimat des GM-Trios ist ebenfalls Missouri. Für Bok ist Caruanas größter Konkurrent US-Boy und Rekord-Streamer Hikaru Nakamura (36): “Online bei scheller Bedenkzeit erreicht Hikaru oft aus den Eröffnungen schlechte Stellungen.” In Toronto wird er sich das nicht erlauben können. Für die ersten 40 Züge stehen den Spielern jeweils 120 Minuten zur Verfügung. Bok: “Wenn Hikaru das Eröffnungsproblem löst, kann er das Turnier gewinnen.” Für Caruana und Nakamura sieht er dafür gleiche Chancen - jeweils 25 Prozent. Außergewöhnlich ist Hikarus Sekundanten-Wahl. Neben GM Wesley So (30) assistiert ihm der titellose Kris Littlejohn (40). Der hat seit mehr als 20 Jahren keine gewertete Turnierpartie gespielt und eine Elozahl von 2156 - 633 Punkte weniger als sein Chef! Den Russen Ian Nepomniachtchi (33) sieht Bok in etwa auf Augenhöhe: “Er gewann bereits zwei Kandidatenturniere und hat ein eingespieltes Team.” Chef-Sekundant war zuletzt Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik (48). Außenseiterrollen übernehmen in Toronto die Inder GM Gukesh (17), GM Praggnanandhaa (18) und GM Vidit (29). Auch der Iraner GM Alireza Firouzja (20) steht nicht hoch im Kurs. GM Anish Giri (29) auf “X” (ehemals Twitter): “Wir diskutierten unter Schachfreunden gerade über die Kandidaten. Alirezas Name fiel kein einziges Mal.” Vor lösbaren Aufgaben dürfte GM Nicat Abasov (29) in Toronto kaum stehen. Mit Elo 2632 steht der Aserbaidschaner lediglich auf Platz 110 der Weltrangliste, Ihn werden die Gegner in allen Partien schlagen wollen.
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